Stress: Was wir vom Steinzeitmenschen lernen können

Von Säbelzahntigern, Mammuts oder ähnlichen Gefahren ist weit und breit nichts in Sicht und trotzdem fühlst Du Dich in Deinem Alltag oft rastlos, gestresst oder hast mit Angstsymptomen zu kämpfen? Dann lohnt es sich, einen Blick auf das ziemlich ursprüngliche „Design“ des Menschen zu werfen, der durch die moderne Welt tagtäglich auf eine harte Probe gestellt wird. Welche Rolle dabei außerdem Bewegung und Sport spielen, erfährst Du hier.

Stress: ein Relikt der Steinzeit

Wittern wir Gefahr, dann schaltet unser Körper in den sogenannten „Fight-or-Flight“-Modus. Das geschieht ganz automatisch – denn müsste man erstmal überlegen, was jetzt alles zu tun ist, dann sähe es schlecht aus. Zum Glück gibt es also Reflexe, die das ganz automatisch für uns übernehmen und uns so im Notfall das Leben retten können.

So reagiert der Körper auf Stress

Um in Stresssituationen adäquat reagieren zu können, bekommen wir Hilfe vom vegetativen Nervensystem und unseren Hormonen. Die Aktivierung des sogenannten Sympathikus (ein Stressnerv) sorgt dafür, dass sich unsere Leistung steigert – er erhöht die Herz- und Atemfrequenz sowie den Blutdruck und stellt sicher, dass sich die Skelettmuskulatur anspannt und gut durchblutet wird.

Dies geschieht mithilfe der Stresshormone Adrenalin und Cortisol. Adrenalin ermöglicht die schnelle Mobilisierung von Energie, welche durch das Cortisol lange auf einem hohen Level erhalten bleibt. Der menschliche Körper arbeitet also hart, um uns in Krisensituationen bestmöglichst zu unterstützen.

Der Steinzeitmensch in der modernen Welt

Auch wenn wir gerne glauben, in der heutigen Zeit auf dem Gipfel der menschlichen Entwicklung zu stehen, so vergessen wir aufgrund der zahlreichen Errungenschaften oft, dass das menschliche „Design“ nach wie vor usprünglich ist.

Wir bauen Hochhäuser, experimentieren mit künstlicher Intelligenz oder fliegen ins All – und trotzdem können wir unserem Steinzeiterbe nicht entkommen. Denn das große Problem ist: die Gefahren in unserem Alltag werden relativ gesehen immer weniger, aber unsere Reaktion auf Stress und Krisen ist nach wie vor dieselbe. Dieses Ungleichgewicht kann auf Dauer krank machen.

Dauerstress macht krank

Grund dafür ist, dass der Körper nach der erlebten Gefahr keine Möglichkeit hat, den Cocktail aus Stresshormonen wieder abzubauen und nach einer Phase von Aktivität zu ruhen. Die Folge: unser Körper befindet sich in ständiger Alarmbereitschaft.

Stand also ein Steinzeitmensch einem Säbelzahntiger gegenüber, dann wurden alle Kräfte mobilisiert und es hieß: „Schnell weg!“ Sprich: Flüchten & Rennen – eine körperliche Höchstleistung, bei welcher die bereitgestellten Hormone genutzt und somit auch abgebaut werden konnten.

Der moderne Mensch kommt im Alltag selten in derartige Stresssituationen – oder anders gesagt: wir sind zwar gestresst, haben aber keine direkte Möglichkeit, den Stress ausreichend abzubauen.

Höher, schneller, weiter – Mehr ist nicht mehr

Die moderne Welt gibt einem viele Gründe, gestresst zu sein. Zwar müssen wir normalerweise keine Kämpfe mit wilden Tieren austragen, sind so privilegiert, unser Essen im Supermarkt um die Ecke präsentiert zu bekommen und sind auch ansonsten bequem eingebettet in die Vorzüge der Zivilisation. Aber trotzdem ist er da, der Stress.

Reizüberflutung und subtiler Stress

Statt Ringkämpfen mit wilden Bestien warten auf den modernen Menschen Deadlines, Leistungsdruck, Dauerbeschallung durch Radio, Fernsehen und Internet und das Gefühl, nie genug zu haben oder zu sein, wie der ständige Vergleich auf Social Media es uns glauben lässt.

So navigieren wir zwischen Leistungsdruck, Reizüberflutung und der Frage, was uns denn eigentlich so mitnimmt, durch den Alltag. Ein Stress, der auf den ersten Blick unscheinbar ist, doch auf Dauer an den Pfeilern unserer Gesundheit nagt. Denn die Vielzahl an Reizen in einem bestimmten Zeitraum, denen ein Mensch des 21. Jahrhunderts ausgesetzt ist, ist nicht zu unterschätzen und unterscheidet sich deutlich von unseren Vorfahren.

Das wohl größere Problem ist aber jedoch, dass wir darauf programmiert sind, auf Stress eine starke körperliche Reaktion zu zeigen, den Stresspegel aber nicht mehr durch eine tatsächliche Kampf oder Flucht-Reaktion normalisieren können. Es fehlt schlichtweg das Ventil. Wenn auf Anspannung also dauerhaft keine Entspannung folgt, kann das krank machen.

Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Konzentrationsprobleme aber auch Depression, Angststörungen und weitere Krankheitsbilder können uns durch Dauerstress zu schaffen machen und die Lebensqualität einschränken.

Stressbewältigung unmöglich?

Noch nie haben wir uns weniger bewegt als in der heutigen Zeit. Die Erfindung von Autos, Maschinen oder aber auch stundenlanges Sitzen in Büros, wo wir per Mausklick und Telefonhörer unsere Arbeit erledigen, trägt dazu bei, dass körperliche Betätigung teilweise fast überflüssig zu sein scheint.

Um etwas zu erleben, muss man nicht mehr vor die Tür gehen, sondern kann es sich vor dem Fernseher bequem machen oder stundenlang durch Reels auf TikTok scrollen. Fast scheint es einem dann so, man wäre selbst dabei gewesen. Natürlich sind das alles tolle Möglichkeiten und sich das Leben zu erleichtern, ist keine Schande, sondern vollkommen in Ordnung.

Trotzdem darf man in der ganzen Rechnung das eigene Steinzeit-Gen nicht vergessen.

Dem Dauerstress entkommen

Den Anforderungen und Strukturen der modernen Welt zu entkommen und seinen Alltag völlig davon losgelöst zu gestalten, das ist zugegeben schwierig. Bewegung und Sport sind deswegen eine gute Möglichkeit, den eigenen Stresspegel in Balance zu halten.

Der menschliche Körper ist dazu ausgelegt, zu gehen, zu laufen und die meiste Zeit in irgendeiner Form in Bewegung zu sein. So mancher wäre beeindruckt, zu welchen Höchstleistungen der eigene Körper fähig ist. Wir sind es schlichtweg nicht mehr gewohnt, unseren Körper zu beanspruchen. So ist Sport heute für viele Menschen eher eine Freizeitbeschäftigung oder auch ein lästiges Übel, das man über sich ergehen lässt, um in Form zu bleiben oder völlig boykottiert.

Bewegung als Heilmittel

Die Vorteile von körperlicher Betätigung werden da oft vergessen. Wir brauchen Bewegung nicht nur um körperlich gesund zu bleiben, sondern auch für unsere Psyche. Das bedeutet nicht, dass man von jetzt an von einem Marathonlauf zum nächsten hetzen soll oder stundenlang im Gym vor sich hinächzen muss.

Die beste Basis ist moderate Bewegung, die in den Alltag integriert ist. Das kann sein, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren oder in der Mittagspause, einen kleinen Spaziergang zu machen. Das kann sein, statt der Rolltreppe die Stufen daneben aus eigener Muskelkraft zu erklimmen oder die Einkäufe aus dem Supermarkt auch mal zu Fuß nach Hause zu transportieren. Sobald wir Bewegung mit einem direkten Nutzen verbinden, fällt sie uns nochmal leichter.

All das kann schon einen großen Unterschied machen. Wem es möglich ist, der kommt zusätzlich mehrmals pro Woche mal so richtig außer Atem und ins Schwitzen. Sei es beim Tanzkurs, auf dem Stepper oder an der Boulderwand. Auch Sportarten wie Yoga oder Pilates können dabei helfen, überflüssiges Adrenalin und Cortisol abzubauen. Sich mal komplett auszupowern kann so gut tun und nicht selten fühlt man sich danach ungewohnt entspannt und angenehm müde. Unser Körper kann ruhen, unsere Gedanken hören auf zu rasen.

Zurück in die Steinzeit?

Ein großer Teil des Menschen ist und bleibt also trotz aller Errungenschaften und Entwicklungen ursprünglich. Und das ist auch gut so – denn wenn Gefahr droht, kann man um dieses geniale System zur Selbsterhaltung heil froh sein.

Letztendlich geht es darum, die Mechanismen des eigenen Körpers zu verstehen, anzunehmen und in Anbetracht der Tatsachen der modernen Lebenswelt damit umzugehen. Mit einem Schmunzeln, mit viel Verständnis für den primitiven Teil in uns, der uns schützen will, und ganz wichtig: mit so viel Bewegung und Ausgleich wie möglich.


2 Kommentare

  1. Gerade in unserer digitalen Zeit wird die tägliche Bewegung, denke ich, oft hintenangestellt. Und sei es ein einfacher Spaziergang. Der Beitrag von dir erinnert mich daran, gerade an sonnigen Tagen einfach mal eine Pause einzulegen und rauszugehen. Vitamin D ist bekanntermaßen gesund für Körper UND Geist, nicht wahr? 😀

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